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Aufsätze
– Inhaltlicher Bezug muss sich in räumlicher Zuordnung wiederfinden
Detailtypografie beschäftigt sich mit der Lesbarkeit von Texten. Dabei geht es nicht um Layout, Kreativität und geschmäcklerische Beurteilung von Entwürfen. Es geht vielmehr um die gute Lesbarkeit der angebotenen Informationen. Die Grundlagen guter Detailtypografie sind eher objektive Kriterien, Regeln, die sich im Laufe der Geschichte gebildet haben. Aber auch Regeln, die aufgrund sich verändernder Technik und Wahrnehmung ständig überprüft und teils umgeschrieben werden müssen.
Kreativität besteht mitunter aus der bewussten Brechung von Regeln. Insofern lässt sich manches in dem folgenden Text im indivduellen Fall widerlegen. Dies kann insbesondere bei kurzen Texten, z.B. Headlines auf Plakaten, Buchumschlägen oder in der Werbung der Fall sein. Hier kann (nicht: muss!) ganz bewusst eine Irritation ausgelöst werden, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – doch dies zählt nicht zu den Aufgaben der Detailtypografie.
Text besteht aus Buchstaben, jedoch lesen wir nicht eigentlich Buchstabe für Buchstabe (von Kindern, die gerade das lesen lernen, abgesehen). Das Auge liest in Sprüngen von etwa fünf bis zehn Buchstaben, sogenannten Saccaden. Dabei werden jeweils drei bis vier Buchstaben in kurzen Fixierungen erfasst und die übrigen nur undeutlich wahrgenommen. Je geübter und erfahrener der Leser ist, umso kürzer die Fixierungen und länger die Saccaden. Je größer die Lesegeschwindigkeit, desto mehr Textinhalte müssen »erraten«, also aus dem Inhalt erschlossen werden. Wird der Sinn des Textes nicht verstanden, springt das Auge in Regressions-Saccaden zurück, um das Gelesene zu überprüfen. Der Textinhalt (einfache oder schwierige Texte) und die Detailtypografie beeinflussen dabei entscheidend die Lesegeschwindigkeit.
Im folgenden nun in kurzer Form die wichtigsten Faktoren der Typografie, die die Lesebarkeit beeinflussen.
Der Leser will einen Text ohne Umwege verstehen. Entscheidend ist also eine Schrift, die ihn nicht vom Inhalt ablenkt. Die Augen dürfen nicht von ungewöhnlichen – oft nur modischen – Formen abgelenkt werden. Dies gilt ganz besonders für die Kleinbuchstaben (Gemeinen), die sich in einem jahrhundertelangem Formenwandel aus der flüssigen Schreibform entwickelt haben.
Hier wirken zwei Faktoren, die scheinbar gegeneinander arbeiten: Zum einen müssen sich die Buchstabenformen deutlich voneinander unterscheiden, zum anderen sollen sie aber auch zueinander passen und ein schlüssiges Schriftbild ergeben. Besonders augenfällig ist dies bei den Gemeinen a und g: Bei sehr formreduzierten Schriften (z.B. Avantgarde) können sie leicht mit anderen Buchstaben verwechselt werden.
Untersuchungen haben gezeigt, dass das Auge vor allem die obere Hälfte der Buchstaben erfasst. Ein Umstand, der oben genannten Effekt noch verstärken kann:
Texte, die in Großbuchstaben (Versalien) geschrieben sind, sind schwer lesbar. Der Grund hierfür liegt in den geringeren Unterscheidungsmerkmalen der Buchstabenformen (vor allem die Höhe ist im Unterschied zu den Gemeinen ja immer gleich). Versaliensatz ist somit nur für einzelne Wörter geeignet, z.B. um ein Wort im Fließtext hervorzuheben. Sofern vorhanden, ist dabei der Schriftschnitt Kapitälchen vorzuziehen, da dieser das Schriftbild nicht, bzw. nur im gebotenen Maße, stört. Gibt es keine Kapitälchen, so kann man sich – zur Not – mit einem kleinen Trick behelfen und die Versalien etwas sperren und um 5% verkleinern.
Apropos Versalien: Kaum eine Sprache verwendet so viel Versalien wie die deutsche. Deutscher Satz wirkt somit fast immer unruhiger als z.B. englischer, spanischer oder französischer. Viele Schriften nehmen darauf Rücksicht: Die Versalien sind etwas kleiner als die Gemeinen mit Oberlänge.
Buchstaben werden in Gruppen zu Wörtern. Entscheidend für die Lesbarkeit sind nicht nur die Buchstabenformen, sondern auch die Abstände zwischen den Buchstaben. Also letztlich der unbedruckte Raum, die sogenannten Binnenräume.
Bei zu harten Kontrasten überstrahlen die Binnenräume die Buchstabenformen und behindern die Lesbarkeit. Dem Papierweiß, bzw. dem Hintergrund, kommt daher für die Lesbarkeit eine prominente Rolle zu, die häufig unterschätzt wird.
Je größer eine Schrift gesetzt ist, um so enger müssen die Abstände sein. Umgekehrtes gilt natürlich für sehr kleine Schriften. Negative Texte auf dunklem Hintergrund brauchen mehr Luft als positive auf hellem Hintergrund. Auch Bildschirmtexte müssen mit etwas mehr Laufweite gesetzt werden.
Es gibt einige Regeln über die Mindest- und Höchstlänge einer Zeile, 30 bis 70 Anschläge werden häufig genannt. Ein Pauschalurteil lässt sich allerdings nicht formulieren, denn auch andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle.
Kurze Texte sollen auch kürzere Zeilen haben, lange Texte längere. Es wäre lästig, Zeitungsmeldungen mit romanlangen Zeilen zu lesen, gleiches würde für einen Roman mit zwei- oder gar dreispaltigem Satzspiegel gelten. Ganz kleine Textblöcke wie Marginalien oder auch Bildtexte kommen ohne weiteres mit 20 Anschägen in der Zeile aus.
Entscheidender Faktor für den Zeilenabstand ist die Zeilenlänge. Je länger eine Zeile ist, um so schwieriger ist es, am Ende der Zeile den Anfang der nächsten Zeile zu finden. Daher muss bei langen Zeilen auch der Zeilenabstand wachsen.
So wie am Ende der Zeile der Beginn der neuen Zeile gefunden werden muss, so gilt auch: Am Ende der Spalte geht es auf die Suche nach dem Beginn der neuen. Darauf muss das Layout Rücksicht nehmen.
Muss über Bilder gesprungen werden, kann vor allem bei mehrspaltig breiten Bilder schnell eine Störung des Leseflusses eintreten, denn das Auge sucht automatisch den nächstgelegenen Spaltenanfang – und das ist dann häufig der falsche.
Liegt der Beginn der neuen Spalte sogar auf der nächsten Seite, kommt es leicht zu Irritationen. Steht z.B. in der rechten unteren Ecke einer Doppelseite ein Bild, muss der Leser nicht nur die Seite wechseln, sondern auch noch über ein Bild springen. Gleiches gilt für die nächste Seite: Links oben sollte dann kein Bild stehen.
Für den Abstand zwischen den Spalten gilt: Er muss größer sein, als der Zeilenabstand, sonst will das Auge am Ende einer Zeile intuitiv in die nebenliegende Zeile springen, da sie näher liegt.
Mit diesem Kriterium lässt sich jedes Layout auf seine objektive Lesbarkeit hin überprüfen. Angefangen bei den kleinsten Einheiten, den Buchstaben, bis hin zum Layout mit seiner Leseführung. Das richtige Layout ist also scheinbar einfach und die Regeln sind naheliegend. Aber nur allzu schnell wird im »großen Layout« das kleine, aber nicht weniger wichtige, vergessen, übersehen oder übergangen. Dann wird der Entwurf zum Selbstzweck, der bescheidene Diener Typografie vergisst seine Aufgabe – und der Empfänger geht bei aller Kreativität und Schönheit letztlich leer aus.
Wolfgang Gillitzer, 2005